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Die Open-Memory-Box öffnen: Ein forschender Blick auf die Sammlung

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Die Open-Memory-Box öffnen:

Ein forschender Blick auf die Sammlung

von Olaf Berg

23. Februar 2023

Die DDR im Schmalfilm ist eine Internetpublikation, die sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit private Schmalfilme aus der DDR der zeithistorischen Forschung neue Perspektiven eröffnen können. Genutzt wird dafür eine 415 Stunden Material umfassende, im Internet öffentlich zugängliche Sammlung von DDR-Schmalfilmen, die „Open Memory Box“. Die Beiträge stellen einen fachlichen Kontext für die Bilder der Sammlung her,um die Aufnahmen zeitgeschichtlich zu verorten. Das Ergebnis zeigt, wie fruchtbar die Auseinandersetzung mit filmischen Quellen für die Zeitgeschichte sein kann und wie viel Potenzial für weiter Forschung und Erschließung noch im Material der „Open Memory Box“ liegt.

Die DDR im Schmalfilm ist eine Internetpublikation, die sich mit der Frage beschäftigt, inwieweit private Schmalfilme aus der DDR der zeithistorischen Forschung neue Perspektiven eröffnen können. Die Beiträge setzen sich dabei mit der größten im Internet öffentlich zugänglichen Sammlung von DDR-Schmalfilmen auseinander, der „Open Memory Box (OMB)“. Die Sammlung umfasst 415 Stunden Material von 2283 Filmrollen. Erstellt wurde sie vom kanadischen Politikwissenschaftlers Laurence McFalls und dem schwedischen Filmemacher und Ethnologen Alberto Herscovits. Die DDR im Schmalfilm nutzt die OMB, um an ihr neue Forschungszugänge zur DDR Geschichte und neue Perspektiven auf diese zu erproben. Die Plattform entstand im Rahmen des vom BMBF geförderten Forschungsverbunds „Das mediale Erbe der DDR“ am Leibniz Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF).

Als die Open Memory Box ein halbes Jahr nach Start des Forschungsverbunds im Herbst 2019 online ging, erfuhr sie ein breites Echo in den Medien (siehe Beitrag von Laurence McFalls). 30 Jahre nach dem Fall der Mauer und dem Ende der DDR schien die Zeit reif, in dem untergegangenem Land nicht nur Stasispitzel, Parteifunktionäre und unbeugsame Widerständler*innen zu sehen, sondern auch „ganz normale“ Menschen und Lebensläufe zu entdecken. Die dort versammelten privaten Schmalfilme versprechen einen Einblick in solche Lebenswelten, auch wenn sie nicht – wie für private Aufnahmen häufig postuliert – den privaten Alltag abbilden, sondern in der Regel besondere Momente aus diesem Leben zeigen: Hochzeiten, Geburtstage und andere Feierlichkeiten, Reisen und Ausflüge, stolze Eltern mit ihren Babys oder spielende Kinder. All das ist in vielerlei Hinsicht nicht sehr DDR-spezifisch, könnte sich so auch in der Bundesrepublik oder anderen Ländern zugetragen haben.

Die privaten Allerweltsbilder der Schmalfilmsammlung zeugen damit, blickt man nur auf die Aufnahmen, von einer systemübergreifenden privaten Kultur, die eher zeittypisch als systemtypisch ist, wie beispielsweise die im Beitrag von Andreas Ludwig in den Filmen ausgemachten Rituale von Gemeinschaft und Geselligkeit. In dieser Hinsicht wirkt das Material einer Exotisierung der DDR als dem ganz Anderen entgegen.

Dennoch stand das private Leben, nicht nur in der DDR, auch in einem Austauschverhältnis zum politischen System, in dem es sich entfaltete. Dieser Bezug zum politischen System und damit zum DDR-Spezifischen ist in manchen Szenen offensichtlich, etwa wenn eine Jugendweihe, eine FDJ-Uniform oder ein Aufmarsch zum 1.-Mai ins Bild gerät. In anderen Szenen muss man schon sehr genau hinschauen, um die besondere Perspektive der DDR-Bürger*innen zu erkennen. Dies zeigt etwa Stefanie Eisenhuths Beitrag auf ihrer Suche nach Spuren des Westens, wenn sie den Blick auf Westwaren oder die subtilen Unterschiede, an denen der Westbesuch erkennbar ist, herausarbeitet.

In den meisten Fällen ist es erst das Hintergrundwissen, mit dem die Aufnahmen in das Spannungsfeld zwischen Privatem und Politischem gestellt werden können: Etwa das Wissen um die Versorgungslage mit modischer Bekleidung und die Bedeutung des Selbstschneiderns (siehe den Beitrag von Kristin Hahn) oder über städtebauliche Planung und private Wohnraumversorgung (siehe die Beiträge von Anja Tack und Reinhild Kreis).

Das von der Open Memory Box (OMB) bereitgestellte private Bildmaterial mit der Fachexpertise von zur DDR forschenden Wissenschaftler*innen zu verknüpfen, ist das Anliegen der vorliegenden Publikation. Sie nutzt das Material der OMB, sie baut auf deren Vorleistung auf, ist aber bewusst kein Teil von ihr, auch wenn im gemeinsamen Forschungsverbund zusammen diskutiert wurde. „DDR im Schmalfilm“ betrachtet die OMB als ein Internet-Artefakt mit einem Eigenleben. Das Projekt wirft einen unabhängigen Blick „von außen“ auf das Material und erprobt einen möglichen Umgang mit den Schmalfilmen.

Die Essays von Die DDR im Schmalfilm stellen die Filmaufnahmen in einen breiteren historischen Kontext, weisen auf aussagekräftige Details in den Bildern hin, regen dazu an, selber im und mit dem Material weiter zu forschen. Sie thematisieren auch die besonderen Herausforderungen, vor die sie die gewählte Präsentationsform der OMB stellt und zeigen auf, welche zusätzlichen Informationen zum Material aus Forschungsperspektive wünschenswert wären.

Für diese Aufgabe hat DDR im Schmalfilm eine eigene Form der Präsentation entworfen, die das Format der Internetpublikation nutzt, um in den vorliegenden Essays Text und bewegtes Bild eng miteinander zu verzahnen. Ausgewählte Sequenzen, die in den Essays besprochen werden, sind in den Lesefluss integriert, weitere Verweise auf Stellen im Material sind direkt in die OMB verlinkt.

Analysestrategien

Zu den Grundlagen der historischen Forschung gehört es, Quellen nicht einfach als gegeben hinzunehmen, sondern kritisch zu befragen. Es gilt, etwas über den Entstehungszusammenhang der Quelle zu ermitteln und den Weg ihrer Überlieferung sowie den Ort, an dem sie heute aufzufinden ist, zu beleuchten. Idealerweise stellt ein Archiv dafür Metainformationen zur Provenienz der Quellen bereit und erschließt jene nach archivarischen Standards. Die OMB geht einen anderen Weg. Die beiden Sammler haben sich bewusst dafür entschieden, ihre Sammlung weitgehend ohne Angaben zur Provenienz und zum Kontext zu präsentieren und mit den eingespielten Formen der Erschließung eines wissenschaftlichen Archivs zu brechen (siehe Beitrag von Laurence McFalls).

Dabei ist das Kontextwissen für die Rezeption von privaten Schmalfilme von besonderer Bedeutung. Sie sind in der Regel dafür gemacht, sie im Kreis der Familie, mit Freund*innen und Bekannten zu präsentieren. In den Filmen gezeigte Personen, Orte und Anlässe sind den Zuschauenden in einem solchen Setting bekannt, oder werden ihnen während der Projektion erläutert. Die Filme sind Anlass für Erinnerungen und Anekdoten. Um die Filme also in dem Sinne zu sehen und zu verstehen, in dem sie einmal angelegt wurden, bedarf es eines Kontextwissens über den sozialen Zusammenhang, in dem sie entstanden sind und vorgeführt werden sollten. Ohne dieses Wissen bleibt vieles von dem, was zu sehen ist, unklar und schwer zugänglich.

Die OMB selbst macht dies in der Sektion „Geschichten“ anschaulich. Die dort versammelten, im Auftrag des ZZF produzierten Filme, stellen einen solchen Rahmen der Vorführung teilweise nach. Sie verbinden Aufnahmen eines Familienbestandes mit der während der Projektion aufgezeichneten Erzählung des oder der jeweiligen Filmgeber*in. Anstelle der vertrauten Familie steht den Interviewten in diesem Setting ein außenstehender Filmemacher gegenüber, der aus den Originalaufnahmen die Bilder zusammengestellt hat, die er für interessant hält. Die Interviewten reagieren spontan auf die Bilder. Wir sehen Bilder einer Familie mit kleinem Kind und erfahren aus der Erzählung etwas über den Ort der Aufnahmen, die Größe der Wohnung und darüber, wie der Erzähler die auf den Bildern abgebildete Frau kennengelernt hat. Aus den Erzählungen wird deutlich, wie sehr die scheinbar universalen Aufnahmen mit den spezifischen Lebensbedingungen der DDR verbunden waren. Wir sehen Bilder vom fachgerechten Zerlegen eines Tieres und den daraus entstandenen Würsten und erfahren dazu, dass es sich um einen Verwandten handelt, den der Erzähler einmal jährlich besucht hat.

Jenseits dieser wenigen ausgewählten Geschichten bietet die OMB nahezu keinen Kontext zu den Filmen der Sammlung. Lediglich das Entstehungsjahr bzw. der Zeitraum der Aufnahmen sind mehr oder weniger präzise erfasst. Über den Wohnort, den Beruf oder die soziale Stellung der Filmenden erfahren wir aus den Metadaten nichts.

Die Autor*innen von Die DDR im Schmalfilm reagieren auf diese Herausforderung unterschiedlich. Eine Strategie im Umgang mit dem Material besteht darin, in den Filmbildern selbst Hinweise zu ihrem Entstehungszusammenhang auszumachen. Filmtitel oder identifizierbare Orte und Ereignisse helfen, Aufnahmen in Raum und Zeit zu verorten, Kleidung, Einrichtungsgegenstände und ähnliches lassen auf die soziale Stellung der Gefilmten schließen. Christoph Lorke macht sich dies zunutze, um soziale Ungleichheiten zu identifizieren und Michael Meyen, um typische Situationen des Medienkonsums zu erschließen. Mit geradezu detektivischem Gespür verfolgt Stefanie Eisenhuth Freundschaften und Westkontakte über Filmrollen hinweg und Annette Vowinckel rekonstruiert anhand von einzelnen Motiven Aufnahmeorte und Zeitpunkte. Indem die Autor*innen ihre Fachexpertise einbringen, können sie für viele Aufnahmen einen generischen Kontext liefern, mit dem das Gezeigte besser eingeordnet und verstanden werden kann.

Als eine zweite Strategie im Umgang mit der OMB hat sich die serielle Analyse wiederkehrender Bildmotive herausgebildet, zu der die Ansammlung gleichartiger Filme geradezu einlädt. Nicht der Entstehungszusammenhang des einzelnen Films, sondern die in repetitiven Filmszenen erkennbaren Muster der filmischen Konstruktion und Darstellung lebensweltlicher Szenen und Situationen steht dabei im Fokus des Erkenntnisinteresses. Die für eine klassisch hermeneutische Einordnung der Filme in ihren sozialen Entstehungskontext fehlenden Angaben werden aus dieser diskursgeschichtlichen Perspektive nicht benötigt.

In diesem Sinne untersuchen Mieke Roscher und Anna-Katharina Wöbse in ihrem Beitrag etwa die wiederkehrenden Motive des Zoobesuchs und das darin zutage tretende Mensch-Tier-Verhältnis. Andreas Ludwig spürt den wiederkehrenden Ritualen geselligen Beisammenseins nach. Sebastian Thalheim arbeitet die zentralen Momente der Konstruktion von Familie in den Schmalfilmen (und der Verschlagwortung der OMB) heraus. Gerade die serielle Analyse macht deutlich, dass sich die privaten Filme aus der DDR, wie Thalheim betont, an transnationalen soziokulturellen Vorstellungen orientieren.

Die Essays zur DDR im Schmalfilm

Die DDR im Schmalfilm untersucht experimentell, wieviel Aussagekraft in den Filmen der OMB steckt, welches Wissen aus deren Betrachtung gewonnen werden kann und welchen Mehrwert ein aus der Forschung gewonnener generischer Kontext den Bildern hinzufügen kann. Den Autor*innen der hier versammelten Essays war deshalb eine doppelte Aufgabe gestellt. Einerseits sollten sie in den Filmen der OMB nach Aufnahmen suchen, aus denen sich etwas über das Leben in der DDR herauslesen lässt; andererseits sollten sie mit ihrer Expertise einen fachlichen Kontext für die Bilder der OMB herstellen, der es den Leser*innen erleichtert, die Aufnahmen zeitgeschichtlich zu verorten.

Der erste Teil der Essays richtet sein Augenmerk hauptsächlich auf gesellschaftliche Strukturen. Auch wenn die Filme der OMB im statistischen Sinne nicht repräsentativ sind und kaum etwas über ihren individuellen sozialen Entstehungskontext öffentlich bekannt ist, so bietet die Sammlung doch in räumlicher, zeitlicher und thematischer Hinsicht eine große Bandbreite an privaten Schmalfilmaufnahmen an. Daraus lassen sich Einblicke in gesellschaftliche Strukturen gewinnen. Zum einen, weil die Schmalfilme selbst einen Anteil an der Herstellung und Bestätigung gesellschaftlicher Strukturen haben, etwa an der Konstruktion von Familie und sozialer Differenzen. Zum anderen, weil die Filme oft ungewollt im Bild etwas über die gesellschaftlichen Strukturen mitteilen, etwa durch die abgebildeten Stadtlandschaften, den Medienkonsum oder die Bekleidung der Personen im Bild.

Im zweiten Teil der Essays richtet sich der Blick der Autor*innen auf einzelne, die Gesellschaft prägende Orte, Dinge und Aktivitäten. Wenn wir vom Zeichentrick oder computergenerierten Bildern absehen, dann entstehen Filmbilder dadurch, dass die Kamera auf etwas gerichtet wird und dieses abbildet. Damit geraten Orte, Gegenstände und Aktivitäten in den Blick, die von der Kamera als bewegtes Bild festgehalten werden. In ihnen drücken sich gesellschaftliche Strukturen aus, sie sind aber auch für sich genommen identitätsstiftende Erfahrungsräume. Die bereits erwähnten Westprodukte ermöglichten gelegentliche Teilhabe am Konsumversprechen des Kapitalismus oder weckten die Sehnsucht nach dieser. Der Ausflug in die Landschaft schafft Heimatverbundenheit, die Präsenz von Nutztieren auf den privaten Filmrollen zeugt von der Einbettung dieser Tiere in den (vorwiegend ländlichen) Alltag der Menschen.

Diese Ordnung der Essays ist nicht als strikte thematische oder methodische Trennung zu verstehen. Gerade im Umgang mit Filmen als Quelle ist eine Verbindung von konkreten Motiven und strukturellen Gegebenheiten geradezu notwendig. Es handelt sich vielmehr um eine Nuancierung und eine Bewegung von abstrakteren Themen, wie Gemeinschaft, soziale Ungleichheit oder das Verhältnis zum Westen, die sich in sehr unterschiedlichen Motiven ausdrücken, zu Themen, wie der Grenze, dem Eigenheimbau oder dem Zoobesuch, die einer umgrenzteren Motivgruppe zugeordnet werden können.

Den Essays vorangestellt ist neben dieser Einleitung ein Beitrag von Laurence McFalls, einem der beiden Väter der OMB, der die Genese der Sammlung und erste Reaktionen auf deren Präsentation im Internet darstellt. Dabei geht er auch auf die gewählte Präsentationsform und damit verbundene Überlegungen ein. Sein Beitrag gibt als Einstieg gewissermaßen einen Blick hinter die Kulissen des Archivs.

Strukturen

Sebastian Thalheim betrachtet in seinem Beitrag Gemeinschaft, Geschlecht und Generation als die zentralen Elemente, entlang derer Familie in den Schmalfilmen der Sammlung konstruiert wird. Die soziokulturellen Konventionen, die in der filmischen Herstellung von Familie (und deren Verschlagwortung in der Sammlung) einen Ausdruck finden, erweisen sich dabei als transnational. Die familialen Erzählungen in den privaten Schmalfilmen aus der DDR unterscheiden sich kaum von dem, was von Privatfilmen aus Westdeutschland oder anderen Ländern bekannt ist.

Christoph Lorke begibt sich auf die Suche nach Spuren von sozialer Ungleichheit im Schmalfilmmaterial der Sammlung. Ein Phänomen, das es im Selbstverständnis der DDR als eine sozialistische Gesellschaft eigentlich nicht hätte geben dürfen. Dennoch gab es deutliche soziale Differenzen, die aber in privaten Schmalfilmen selten direkt zum Thema werden. Ältere Menschen beispielsweise, werden gut integriert bei Feierlichkeiten gezeigt, ob und wie sie den Rest des Jahres am gesellschaftlichen Leben teilhatten, bleibt unklar. So durchsucht Lorke die Bilder nach manchmal nebenbei, andere Male bewusst inszeniert aufgenommenen Zeichen sozialer Differenzierung: Häuser und Wohnlagen, Einrichtungsgenstände und besondere Konsumartikel, Automodelle und nicht zuletzt Aufnahmen von Auslandsreisen, die – besonders wenn sie ins nicht sozialistische Ausland führten, Ausdruck sozialer Privilegien waren.

Michael Meyen fällt in den Filmaufnahmen der hohe Grad an ungezwungenem Medienkonsum der DDR-Bürger*innen auf. Dies mag zunächst verblüffen, denn in der Forschung wird den DDR-Medien, ob gedruckt oder gesendet, eine geringe Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung bescheinigt. Dennoch, so scheint es, stand dies dem genussvollen Konsum dieser Medien nicht entgegen. Die Häufigkeit und beiläufige Selbstverständlichkeit, mit der Medienkonsum in den privaten Filmen in unterschiedlichsten Situationen, zu Hause und auf Reisen dargestellt wird, deutet darauf hin, dass Medien trotz allem einen großen Stellenwert im Alltagsleben der DDR-Gesellschaft hatten.

Auf die Rituale des geselligen Beisammenseins wirft Andreas Ludwig einen kritischen Blick. Anhand der diversen auf Film festgehaltenen privaten oder halböffentlichen Feiern entwickelt er eine Art prototypischer Choreographie der Geselligkeit. Mit feinem Auge für das Detail entdeckt er dabei Freud und Leid dieser Form der Herstellung von Gemeinschaft. Auch hier scheinen unterschiedliche Grade der Vertrautheit zwischen den Akteuren und der Förmlichkeit des Anlasses für den Verlauf entscheidender, als die spezifische Verortung in der DDR.

Bekleidung schützt und wärmt den Körper, zugleich ist sie ein Mittel um die eigene Individualität und Gruppenzugehörigkeit zum Ausdruck zu bringen. Schnell wechselnde Modetrends verhelfen der Bekleidungsindustrie unter kapitalistischen Bedingungen zu hohen Absatzzahlen. Für die DDR war dieser Zusammenhang angesichts begrenzter Produktionsressourcen kein Ziel, sondern ein Problem. Kristin Hahn spürt in den Bildern der Schmalfilmsammlung dem Umgang mit Mode und Bekleidung in der DDR nach. Auch dort war Bekleidung nicht auf ihren funktionalen Charakter zu reduzieren. Verschiedene Filmausschnitte zeugen von der Beliebtheit öffentlicher Modenschauen, als Anlass des gesellschaftlichen Zusammenkommens. Das Bedürfnis nach modischer Bekleidung musste meist durch Selbstschneiderei oder Westkontakte befriedigt werden. Im Material finden sich aber auch Aufnahmen eines privaten Modegeschäfts und Verweise auf die Marke „Exquisit“, unter der hochwertige modische Bekleidung verkauft wurde. Die Preise dieser Marke spiegelten die realen Produktionskosten wider und machten diese Ware zu etwas Besonderem, das sich die meisten DDR-Bürger*innen nur hin und wieder leisten konnten.

Nicht nur modische Kleidung aus dem Westen, auch andere Westwaren waren in der DDR beliebt, wenn man denn Zugang zu ihnen hatte. Der Westen war im Osten zugleich ein Sehnsuchtsort und durch Waren und Besuche im Alltag präsent. Stefanie Eisenhuth findet in der OMB die vielfältigen Bezüge auf den Westen: In einigen Filmen wird das Öffnen von Westpaketen in Szene gesetzt, doch auch in alltäglicheren Szenen spürt Eisenhuth Spuren des Westens auf. Oft ist es die Kleidung oder Automarke, die auf den Aufnahmen Personen als Westbesuch markieren, oder auch nur auf den Besitz westlicher Produkte verweisen. Die Stärke der Filme in der Sammlung ist nicht der Beleg für das eine oder andere, sondern die Verunsicherung, der visuell eröffnete Möglichkeitsraum, der die Komplexität der DDR-Gesellschaft und ihres Verhältnisses zum Westen aufzeigt.

Orte und Aktivitäten

Ein ganz besonderer Ort, der die DDR prägte, war die Grenze, insbesondere die innerdeutsche Grenze bzw. die Mauer zu Westberlin. Sie privat zu filmen war eigentlich strengstens untersagt, dennoch tauchen solche Filmaufnahmen in der Sammlung auf. Manfred Wichmann spürt sie im Material auf und rekonstruiert anhand der Kameraperspektive und des Bildmotivs die Möglichkeitsbedingungen solcher Aufnahmen. Manchmal gerät die Grenze im Bildhintergrund oder in einem Schwenk unauffällig mit ins Bild, andernorts wird die Grenze direkt und offenbar auch offiziell geduldet im Rahmen einer Reisegruppe gefilmt. in den ersten Jahren der Republik filmten auch Grenzsoldaten sich selbst bei ihrer Arbeit und dabei die Grenze. Die Grenze rückt bei all diesen Anlässen meist durch zwei Motive ins Bild: Einem Grenzschild, das die Aufnahme der Grenze gewissermaßen beglaubigt, und die Weite des Grenzraums als ausgedehnter Erfahrungsraum. Im städtischen Raum Berlins kommt der flüchtige Blick auf ein Stück Mauer bzw. Grenzanlage hinzu.

Eine andere Aktivität, die zugleich einen spezifischen Erfahrungsraum schuf, war der Tourismus. Meistens waren die Reiseziele innerhalb der DDR gelegen. Scott Moranda widmet sich in seinem Essay diesem Filmmaterial und macht dabei deutlich, dass das scheinbar private Freizeitvergnügen tief in das staatlich gelenkte gesellschaftliche Gewebe der DDR verstrickt war. So scheinen die Filme zunächst einen weitgehend selbst gestalteten, oft improvisierten Raum des entspannten informellen Miteinanders in Familie und Freundeskreis zu präsentieren. Für eine Analyse ebenso wichtig ist aber, auch zu bedenken, was nicht gefilmt wurde. Campingplätze, Ferienhütten und andere Freizeitanlagen waren weitgehend im Besitz staatlicher Institutionen und Teil einer Politik, die auf die Herausbildung treuer, sozialistischer Staatsbürger*innen abzielte. So sind diese Freizeitaktivität und die Filme, die davon zeugen, auch ein Teil der Konstruktion der DDR als (sozialistische) Heimat und des Wandels der Vorstellung von dieser Heimat im Laufe der Jahre.

Ein stiller Protagonist vieler Filme ist die Stadtlandschaft, vor deren Hintergrund das eigentliche Geschehen des Films vonstattengeht. Anja Tack spürt diese Bilder auch dort auf, wo sie nicht entsprechend verschlagwortet wurden. Sie zeigt auf, wie diese Motive zuweilen zum eigentlichen Gegenstand des Films werden und architektonische Vorstellungen der modernen funktionalen Stadt und Gesellschaft, aber auch (teilweise verfallende) gewachsene städtischer Strukturen offenbaren und sie mit Leben füllen. Die in vielen Filmen festgehaltene Freude über den Einzug in eine der nach dem Ende der DDR in Verruf geratenen Plattenbauten macht deutlich, wie sehr das negative Bild von der „Ost-Platte“ posthum geprägt wurde und nicht unbedingt dem zeitgenössischen Alltagserleben entsprach. Ein anderes wiederkehrendes Motiv ist der touristische Blick auf die Stadt, der meist durch Bilder aus Tourismus-Broschüren und die Motive auf Ansichtskarten vorgeprägt ist und diese zu reproduzieren sucht.

Eine Hochzeit ist sicherlich eines der prädestinierten Motive des privaten Schmalfilms. Es ist ein zugleich privates und öffentliches Ereignis, in dem staatliche und individuelle Vorstellungen und Wünsche aufeinander treffen. Eva Schäffler liest die Aufnahmen der Sammlung unter dem Aspekt dieses Aushandlungsprozesses zwischen Staat und Staatsbürger*innen, der Gesellschaft und ihren Mitgliedern. Während kirchliche Trauungen und die Verlobung im Laufe der Jahre zurückgingen, nahm gleichzeitig das Zusammenleben unverheirateter Paare mit Kindern zu. Oft heirateten diese aber später doch, was Aufnahmen, auf denen das Hochzeitspaar offensichtlich bereits Kinder hat, widerspiegeln. Erkenntnisreich ist ebenfalls das, was nicht oder wenig gezeigt wird. Die Versuche der Staatsführung, sozialistische Rituale an die Stelle der christlichen Heirat zu setzen, sind in den Aufnahmen kaum zu finden, alt hergebrachte Bräuche wie die Heirat in Weiß, das Blumenstreuen und Baumstammsägen hingegen sind in den Aufnahmen allgegenwärtig. Der Gestaltungswille der Heiratenden, so scheint es, setzte sich bei der Durchführung von Hochzeiten gegenüber den staatlichen Vorstellungen weitgehend durch.

Der Bau eines Eigenheims oder einer Datsche ist ein weiterer Bereich, in dem private Wünsche auf staatliche Lenkung treffen. Dies galt ganz besonders für die DDR, wo Handwerker*innen und Baumaterial ein knappes und staatlich zugeteiltes Gut waren. Zudem war das Privateigentum an Wohnraum kein allgemeines Ziel staatlicher Politik und nur in geringem Umfang erwünscht, am ehesten noch im ländlichen Raum. Entsprechend bedurfte es guter Beziehungen und viel Eigenarbeit sowie nachbarschaftlicher und kollegialer Hilfe, um den Traum vom eigenen Haus zu verwirklichen. Diese gesellschaftlich spezifischen Rahmenbedingungen des Hausbaus in der DDR sind in den von Reinhild Kreis untersuchten Filmen kaum ersichtlich. Die Aufnahmen konzentrieren sich auf die körperliche Arbeit und die Ansicht des noch unfertigen in Entstehung befindlichen Hauses. Diese Phase des Übergangs festzuhalten, war den Filmenden offenbar besonders wichtig, so entdeckt Kreis auffallend wenig Aufnahmen vom schließlich fertiggestellten Haus. Das in den privaten Filmen festgehaltene Baugeschehen gleicht dem aus Westdeutschland bekannten, die politischen und wirtschaftlichen Dimensionen des Hausbaus in der DDR bleiben im Dunkeln. Die Aufnahmen sind eher milieuspezifisch als spezifisch ostdeutsch. Als Milieustudie gelesen, erlauben sie einen Einblick in Geschlechter-, Familien- und Nachbarschaftsverhältnisse im Umfeld der privaten Baustelle. So geben beispielsweise die sonst meist filmenden Männer auffallend häufig die Kamera an Frauen ab, die sie dann bei der körperlichen Arbeit filmen. Aber auch Frauen tauchen in den Aufnahmen selbstbewusst anpackend auf.

Ein Zoobesuch im Kreise der Familie gehört zu den klassischen Freizeitaktivitäten. So verwundert es nicht, dass in mehr als einem Drittel der Boxen Sequenzen aus dem Zoo zu finden sind. Mieke Roscher und Anna-Katharina Wöbse haben beim Sichten des Materials festgestellt, dass die Filmenden sich dabei in den meisten Fällen mehr für die Familienangehörigen oder auch Kolleg*innen beim Betriebsausflug zu interessieren scheinen, als für die Tiere und die Zooanlage. Der insbesondere mit den neu angelegten Tiergärten der DDR verbundene Anspruch auf Wissensvermittlung und fortschrittliche Gestaltung des Zoos hat sich im Gebrauch und der Wahrnehmung der Besucher*innen offenbar nicht niedergeschlagen. Die mit westlichen Zoobesuchen vergleichbaren Szenen zeigen aber auch, dass die These vom Zoo als Ersatz für mangelnde Reisefreiheit zumindest fragwürdig ist. Auch wenn die Mehrzahl der privaten Filme mehr die Familie als den Tierpark in Szene setzen, so ist das gestaltete Zoogelände und die Interaktion zwischen Mensch und Tier und zwischen Tieren in den Aufnahmen, wenn auch nur im Hintergrund, präsent. Eine willkommene Ergänzung zu schriftlichen Quellen, die die Dynamik der Interaktion meist nur ungenügend einfangen.

Auch die Nutztiere kommen in den Aufnahmen der Sammlung vorwiegend in privatem Zusammenhang vor. Oft interagieren Kinder mit ihnen, oder die Tiere laufen im Hintergrund des eigentlichen Motivs durch das Bild. Annette Vowinckel hat die Abbildung von Hühnern und Schweinen auf den Filmen der OMB durchgesehen. Sie erscheinen in das alltägliche ländliche Leben integriert. Einige Szenen verweisen auf die Nutzung der Tiere für den Eigenbedarf an Eiern und hochwertigem Fleisch, etwa wenn auch die Hausschlachtung auf Film gebannt wird. Neben der privaten Tierhaltung gerät hin und wieder auch die industrielle Massenhaltung von Tieren ins Bild, etwa bei einem Rundgang über eine Agrarausstellung im Jahre 1976. So hinterlässt auch das Versprechen, durch industrielle Tierproduktion günstiges Fleisch für alle Bürger bereitzustellen, seine Spuren im Archivmaterial. Auffallend ist dabei, dass die meisten dieser Bilder der privaten und industriellen Haltung eher zeittypisch als DDR-spezifisch sind. Das Verhältnis von Mensch und Tier scheint wenig vom politischen System abzuhängen.

Das Archiv als Herausforderung

Die hier versammelten Essays machen auch deutlich, wie bedeutend die Ordnung und Erschließung eines Archivs sind. Die Art der Erschließung eines Archivs ist entscheidend dafür, welche Quellen gefunden und welche übersehen werden. Darum lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die Struktur der OMB und die damit verbundenen Herausforderungen für die historische Forschung zu werfen.

Klassische Hilfsmittel zur Erschließung eines Archivs sind Findbücher sowie Sach- und Ortsindizes. An deren Stelle tritt in der OMB eine an der Aufmerksamkeitsökonomie, den Präsentationsmustern und Erschließungsparadigmen des Internets orientierte Ordnung. Die OMB bietet zwei Wege, um auf die Sammlung zuzugreifen. Im Bereich des „Anti-Archivs“ werden die archivierten Filme in kleine zwei Sekunden lange Fragmente zerlegt, die ungeachtet ihrer unterschiedlichen Herkunft zu themenbezogenen Endlosschleifen zusammengefügt sind. Mit Themen wie „Erotisch“, „Kuss“, „Rot“ oder „Wasser“ wirbt das „Anti-Archiv“ um die Aufmerksamkeit des Publikums. Im Bereich des „Archivs“ kann über die Eingabe eines beliebigen Wortes nach Filmsequenzen gesucht werden. Das Suchergebnis wird in Form eines Tableaus aus Screenshots mit dazugehörigem Schlagwort angezeigt. Ein Klick auf den Screenshot führt an die markierte Stelle im archivierten Film.

Auch wenn die an ein klassisches Archiv erinnernden Metaphern von Box und Rolle über die gesamte Laufzeit der Filme in deren Bildmitte in großen Lettern eingestanzt sind, ist das zentrale Prinzip der Präsentation doch das der als Datenbank organisierten Filmfragmente. Die Plattform sieht den Zugriff auf Boxen und Rollen nur über den Umweg der Filmfragmente vor, die als Ergebnis der „Freitextsuche“ angezeigt werden. So „frei“ ist diese nicht, denn sie kann nur im Text derjenigen Schlagworte suchen, die in der Datenbank zuvor hinterlegt wurden. Die Struktur dieser Datenbank, die Liste der Schlagwörter und ihre Verteilung über die Filme wird von der OMB nicht offengelegt.

Ähnliches gilt für die Filmschleifen im Anti-Archiv. Laut OMB werden diese Montagen per „Zufallsgenerator kreiert“.[1] Wie bei den Filmaufnahmen wird im Anti-Archiv auch die Autor*innenschaft der resultierenden Filmsequenz fragmentiert und auf die verschiedenen Arbeitsschritte verteilt: In der Datenbank werden die 2-Sekunden-Fragmente Kategorien zugeordnet, ein Programm legt die Regeln fest, nach denen daraus die Endlosschleifen generiert werden. Der Zusammenhang zwischen den mit dem Algorithmus und der Markierung verbundenen Entscheidungen und dem daraus errechnetem Ergebnis wird auch für dessen Autor*innen tendenziell opak, tritt den einzelnen Akteur*innen verdinglicht als maschineller Prozess entgegen. Die Autor*innenschaft der Sequenzen wird durch deren „automatische“ Generierung im Ergebnis nicht aufgehoben, sondern verschleiert.

Die Kenntnis der im Findbuch verzeichneten Struktur und Genese eines Archivbestands und ein Verzeichnis der verwendeten Schlagworte hilft nicht nur beim Auffinden für die eigene Fragestellung relevanter Quellen. Sie hilft auch dabei, den Charakter des Bestandes besser zu verstehen und ist eine Grundlage, um zu erkennen, welche Themen durch die Erschließung der Quellen nicht oder nur unzureichend erfasst worden sind. Sie bilden so Einstiegspunkte für kritische Fragen an das Archiv und die Einordnung der Quellen in ihren Überlieferungskontext. Dass die OMB diese Informationen nicht bereitstellt, war für die Autor*innen von Die DDR im Schmalfilm eine Herausforderung.

Ein paar Metadaten lassen sich dem System doch noch entlocken. Da die Berechnung des Suchergebnisses in den Browser der Nutzer*innen ausgelagert wird, muss dafür die Schlagwortliste im Hintergrund an den Browser übermittelt werden. Dies ermöglicht es, die Daten per Skript auszulesen und zu untersuchen.[2] Die Analyse der vergebenen Schlagworte lässt keine Systematik erkennen. Schlagworte können das Aufnahmejahr oder den Aufnahmeort benennen, ein Element im Bild beschreiben oder eine Assoziation zum Bild. Einige Schlagworte verweisen auch auf Personen oder Körperschaften. Teilweise wurden eng verwandte Worte verwendet oder Schlagworte stehen in einem nicht erfassten hierarchischen Verhältnis von generellem und spezifischem Begriff (z. B. Schiff, Boot, Segelboot, Ruderboot, Bootsfahrt).

Die Verwendung der Schlagworte ist sehr unterschiedlich: Von 2297 Schlagworten wurden 1.130 Schlagworte nur ein einziges Mal zur Markierung verwendet. Mehr als zweidrittel aller Schlagworte (1.905) wurden maximal fünfmal zur Markierung benutzt. Andererseits weisen die 100 am häufigsten verwendeten Schlagworte zwischen 88 und 744 Markierungen pro Schlagwort auf. Sie umfassen zusammen 19.755 von insgesamt 40.945 Einträgen, also knapp die Hälfte aller Markierungen.[3]

Indem die OMB weder den verwendeten Schlagwortkatalog offenlegt, noch das Vorgehen bei der Verschlagwortung erklärt, verschleiert sie die Macht des Archivs, Dinge hervorzuheben und andere zu verstecken. So lassen sich Lücken und blinde Flecken in der Erschließung schwerer entdecken. Beispielsweise verweist von den über 2200 Schlagworten keines auf die Präsenz von schwarzen Menschen in der DDR. Dabei ist dieses Motiv durchaus im Filmmaterial zu entdecken. Etwa eine Szene (OMB Box 064 Rolle 05), die zwischen dem Schlagwort „Containerschiff Steckenpferd“ und dem Schlagwort „Fahrgastschiff Undine“ gelegen ist, auf der eine Gruppe schwarzer Menschen durch das Bild läuft, während sich Passanten nach ihnen umdrehen.[4] Ohne einen systematischen Schlagwortkatalog ist es schwer zu erkennen, ob eine ergebnislose Suche auf Lücken in der Systematik oder fehlende Motive im Material zurückzuführen ist.

Die Beiträge von Die DDR im Schmalfilm reagieren auf diese Herausforderungen, indem sie auf die dünne Datenlage und damit verbundene Ungewissheiten hinweisen. Wichtig war den Autor*innen, auch links und rechts der Schlagworte in das Material zu schauen und so von diesen nicht erfasste relevante Filmpassagen zu entdecken. Einige haben allen Schwierigkeiten zum Trotz den Filmbestand oder einen Ausschnitt davon Box für Box und Rolle für Rolle systematisch gesichtet und dabei eigene Kategorien der Untersuchung gebildet.[5] Auch aus den erwähnten Filmen des Bereichs „Geschichten“ konnten in einigen Fällen Kontextinformationen zu den dort verhandelten Filmen entnommen werden.

Mehrwert

In einigen Fällen mögen die Aufnahmen der OMB Belege für konkrete Ereignisse liefern, in der Regel zeigen sie zunächst einmal wenig Spektakuläres. Dennoch ist die Beschäftigung mit den privaten Aufnahmen auch für die wissenschaftliche Forschung sinnvoll.

  • Erstens sind sie Zeugnisse ihrer eigenen Wirkmacht als Agenten der Konstruktion von Familie und Gesellschaft, Gegenwartswahrnehmung und Erinnerung.
  • Zweitens kann auch das wenig Spektakuläre interessant sein. Etwa die, oft im Hintergrund erscheinenden, Stadtlandschaften oder Dorfszenen.
  • Drittens lassen die Aufnahmen in der Masse durchaus Muster erkennen, die auf die sozio-kulturellen Grundlagen der filmischen Konstruktion – und somit auch der Gesellschaft – verweisen.
  • Viertens verunsichern sie in ihrer Vielschichtigkeit eingefahrene Wahrnehmungen der DDR und fordern zum genauen Hinsehen und Hinterfragen des Gezeigten auf.

Ich danke allen Autorinnen und Autoren der hier versammelten Essays für ihre Bereitschaft, sich auf das Experiment der Arbeit mit der OMB als Quelle und dem Bewegtbilder integrierenden Format dieser Publikation eingelassen zu haben. Ich danke meinen Kolleg*innen am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) in Potsdam, an der FU Berlin und der LMU München für die vielen anregenden Diskussionen im Verbundprojekt „Das mediale Erbe der DDR“. Ralf Forster war einer der ersten, der den Prototyp dieser Publikation kommentierte und mich darin bestärkt hat, damit auf dem richtigen Weg zu sein. Ohne die Förderung des Verbundes durch das BMBF wäre all dies nicht möglich gewesen.

Das Ergebnis zeigt, wie fruchtbar die Auseinandersetzung mit filmischen Quellen für die Zeitgeschichte sein kann und wie viel Potenzial für weiter Forschung und Erschließung noch im Material der OMB liegt. Wenn es gelungen ist, mit dieser Publikation den Filmen der OMB etwas mehr Kontext und historische Einordnung zu geben, Lust auf die Beschäftigung mit dem Material zu machen und dafür einige Einstiegspunkte zu bieten, dann hat sie ihr Ziel erreicht.

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